EU money only for needy farmers?

EU money only for needy farmers?

Innerhalb der ersten 100 Tage ihrer zweiten Amtszeit will Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen „Fahrplan“ für die Zukunft der Landwirtschaft vorlegen. So hat sie es vor ihrer Bestätigung durch das Europäische Parlament im Juli zugesagt. Am Mittwoch hat der von ihr im Januar einberufene „Strategische Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft in der EU“ seine Vorschläge dafür vorgelegt. Die Experten fordern eine grundlegende Neuausrichtung der Agrarpolitik, finanzielle Anreize für den Schutz von Klima, Umwelt und Tierwohl sowie gezielte Hilfen nur für bedürftige Bauern. Der Verzicht auf Fleisch soll vorangetrieben werden, und die Handelspolitik soll mehr Rücksicht auf die Interessen der Landwirte nehmen.

„Wir waren einhellig der Meinung, dass nur diejenigen öffentliches Geld bekommen sollen, die es auch wirklich brauchen“, sagte der Leiter des Expertengremiums, der deutsche Professor Peter Strohschneider. Das läuft auf ein Ende des bisherigen Fördersystems hinaus, das die Agrarhilfen aus dem EU-Haushalt weitgehend an die Fläche der Betriebe koppelt. Wer viele Hektar hat, erhält viel Geld. Das Gremium will stattdessen die Bedürftigkeit, vor allem von kleinen Höfen, jungen Bauern und Betrieben in entlegenen Gegenden, in den Mittelpunkt stellen. Darüber hinaus soll die EU die Landwirte dafür entschädigen, wenn sie mehr für den Schutz von Umwelt, Artenvielfalt und Klima tun. „Wir reden hier nicht davon, dass sie einfach nur die Gesetze befolgen, sondern von höchsten Ansprüchen“, sagte Strohschneider.

Von der Leyen kündigte an, die Vorschläge würden direkt in die Arbeit an dem Fahrplan eingespeist. Ziel sei es, faire und ausreichende Einkommen für die Landwirte sicherzustellen und zugleich ihre Lebensgrundlage, die Natur, zu erhalten. „Wir teilen dieselben Ziele“, sagte sie an die Bauern gerichtet. Es gehe entsprechend nicht darum, die Klimaziele aufzuweichen, sondern um den besten Weg dazu, sie zu erreichen. Inwieweit die Empfehlungen übernommen werden könnten, müsse sich zeigen. „Der Teufel steckt im Detail“, sagte die Kommissionspräsidentin.

Wer gilt als bedürftiger Landwirt?

Von der Leyen hatte den „Strategischen Dialog“ in Reaktion auf den Unmut der Landwirte über die Klima- und Umweltpolitik der EU einberufen, der zu Jahresanfang in teils gewalttätigen Protesten mündete. Teilgenommen haben Vertreter von 29 Interessengruppen vom Agrar- und Ernährungssektor über Umwelt-, Klimaschutzverbände und die Wissenschaft bis zur Finanzbranche. Der Bericht wurde in der vergangenen Wochen nach einer 36 Stunden langen Abschlusssitzung wie angestrebt einstimmig angenommen.

Um diesen Konsens zu ermöglichen, hat das Expertengremium auf konkrete Zahlen und Zielwerte beinahe komplett verzichtet. So sieht der Bericht etwa vor, dass eine unabhängige Arbeitsgruppe die Frage klärt, was ein bedürftiger Landwirt ist. Auch zur Höhe des Agrarbudgets für die EU-Finanzperiode 2028 bis 2034 äußert sich das Gremium nicht. Vorschläge dazu will die EU-Kommission bis Mitte 2025 vorlegen. Die finanzielle Unterstützung für Umwelt- und Klimamaßnahmen müsse in den nächsten Jahren aber deutlich steigen, heißt es in dem Bericht.

Um den Umbau der Landwirtschaft abzufedern, will das Gremium einen „Fonds für die faire Weiterentwicklung der Agrarsektors“ schaffen, der außerhalb des Agrarbudgets angesiedelt sein soll. Die Europäische Investitionsbank soll ein Sonderkreditprogramm für den Sektor auflegen.

Gezielt einwirken wollen die Experten auf den Fleischkonsum. Der Strategische Dialog beobachte einen Trend zum sinkenden Verbrauch bestimmter tierischer Erzeugnisse, heißt es in dem Bericht. Dieser Trend müsse unbedingt unterstützt werden. „Wenn wir die Grenzen des Planeten nicht sprengen wollen, müssen sich die Konsummuster ändern“, heißt es weiter. Das Gremium spricht sich für Programme zur Förderung nachhaltiger Lebensmittel, etwa in Schulen, neue Lebensmittelkennzeichen und niedrigere Mehrwertsteuern für nachhaltige Produkte aus.

Strohschneider wies zurück, dass der Konsum von Fleisch stigmatisiert werde. Das Gremium habe darauf verzichtet, konkrete Vorgaben zur Menge des Fleischkonsums zu machen. Klar sei aber auch, dass die Freiheit, Fleisch zu konsumieren, genau da aufhöre, wo das die Freiheit anderer einschränke. Die Gefahr bestehe, wenn öffentliche Güter, wie die Umwelt, für die Fleischproduktion genutzt würden.

In der Handelspolitik müssen nach Ansicht der Fachleute die Interessen der Bauern von Anfang an berücksichtigt werden. Bisher sei sie zu sehr auf andere Sektoren, etwa die Autobranche, ausgerichtet, sagte Strohschneider. Die Kommission müsse zudem sicherstellen, dass die Öffnung für Agrargüter aus Drittstaaten nicht den Nachhaltigkeitszielen der EU widerspreche.